Es ist ein trüber Tag in einem griechischen Dorf. Es regnet und alle Straßen sind wie leer gefegt.
Die Zeiten sind schlecht, jeder hat Schulden und alle leben auf Pump.
An diesem Tag fährt ein reicher deutscher Tourist durch das griechische Dorf und hält bei einem kleinen Hotel. Er sagt dem Eigentümer, dass er sich gerne die Zimmer anschauen möchte, um vielleicht eines für eine Übernachtung zu mieten und legt als Kaution einen 100 Euro Schein auf den Tresen. Der Eigentümer gibt ihm einige Schlüssel.
Als der Besucher die Treppe hinauf ist, nimmt der Hotelier den Geldschein, rennt zu seinem Nachbarn, dem Metzger und bezahlt seine Schulden. Der Metzger nimmt die 100 Euro, läuft die Straße runter und bezahlt den Bauern. Der Bauer nimmt die 100 Euro und bezahlt seine Rechnung beim Genossenschaftslager. Der Mann dort nimmt den 100 Euro Schein, rennt zur Kneipe und bezahlt seine Getränkerechnung. Der Wirt schiebt den Schein zu einer an der Theke sitzenden Prostituierten, die auch harte Zeiten hinter sich hat und dem Wirt einige Gefälligkeiten auf Kredit gegeben hatte. Die Hure rennt zum Hotel und bezahlt ihre ausstehende Zimmerrechnung mit den 100 Euro.
Der Hotelier legt den Schein wieder zurück auf den Tresen. In diesem Moment kommt der Reisende die Treppe herunter, nimmt seinen Geldschein und meint, dass ihm keines der Zimmer gefällt und er verlässt die Stadt.
Niemand produzierte etwas. Niemand verdiente etwas.
Alle Beteiligten sind ihre Schulden los und schauen mit großem Optimismus in die Zukunft.
Quelle: A. Ackermann
Besser kann der Geldkreislauf nicht erklärt werden.
In der Theorie mag das funktionieren, es gibt aber einen entscheidenden Denkfehler direkt am Anfang. Der Eigentümer des Hotels hätte das Geld niemals nehmen dürfen um seine Schulden zu bezahlen da die 100€ nur ein Pfand waren. Das Geld hat ihm ja zu keiner Zeit gehört. Wäre der Gast wenige Sekunden später wieder zurück gekommen und hatte die fehlenden 100€ bemerkt, wäre der Kreislauf direkt unterbrochen gewesen.
Nur das der Staat noch seine MwSt abgreifft auf die Schulden die ja fast Fiktiv bezahlt wurden…
Geht das wirklich, oder unterliegen wir einem Denkfehler?
Ich sehe keinen Denkfehler. Verblüffend…
Doch, den gibt es. Man kann nicht mit einem Pfand bezahlen. Wurde man die 100€ durch einen Ausweis oder Führerschein ersetzen, wurde das von vorne herein nicht funktionieren
Denkfehler. Jeder im Dorf hat vorher 100€ Soll und 100€ Haben, also 0€ Netto Verschuldung.
Wenn die Leute im Dorf die 100€ des Touristen nicht haetten, haetten sie mit Schuldscheinen bezahlen koennen.
Das ist in der Bilanz eine Bilanz-Erweiterung auf Forderungen bzw. Verbindlichkeiten (jeweils in gleicher Höhe). Das genau ist aber das Problem, dass hier auch keine Wertschöpfung generiert wird. Deshalb ist es auch kein Denkfehler.
Und das Problem ist, dass diese „Schuldscheine“ auch nicht einfach so von Privatpersonen ausgestellt werden können. Das funktioniert vielleicht bei Banken so, aber nicht bei Privatpersonen, oder Personen-Gesellschaften.
Auch wenn die Netto-Verschuldung bei allen 0 Euro ist, so sind dennoch Schulden vorhanden. Das kann auch nur ein WiWi behaupten, dass hier keine Schulden wären. Und WiWi’s stellen auch einfach so „Schuldscheine“ aus. Das geht bei denen. Viel zu theoretisch…
Weil der eine die Schulden beim anderen nicht bezahlt (bezahlen kann), kann der andere seine Schulden beim dritten nicht begleichen. Das ist die Realität.
Eben!
Schlicht und ergreifend ist in diesem Beispiel jeder Beteiligte im griechischen Dorf für sich betrachtet saldiert bei +/- Null.
Jeder hat bei einem anderen 100,00 € Verbindlichkeiten, aber auch gegenüber einem anderen 100,00 € Forderungen.
Würden sie das gegeneinander verrechnen – z.B. mit Schuldscheinen – entstünde das gleiche Ergebnis – auch ohne den Touristen.
Ja, ihr unterliegt einem Denkfehler oder ihr meint alles zu sehen und überseht etwas, wie bei den Zauberern. Der letzte in der Reihe ist der Hotelier. Der meint erst, von der Hure sein Geld bekommen zu haben, jedoch muss er genau dieses Geld dem Tourist zurückgeben. Seine Börse ist also wieder leer und er ist in der ganzen Reihe der Geprellte. Oder anders gesagt: „Den Letzten beissen die Hunde“.
Es geht noch besser. In all den kursierenden Varianten geht es immer nur um das Begleichen von Schulden und niemand hat den Mut, diese Geschichte einfach mal konsequent weiter zu
führen, etwa so:
Der Tourist lässt sich noch Zeit und somit hat der Hotelier Gelegenheit, beim Metzger für 100,-Euro Fleisch und Wurstwaren zu kaufen. Dieser holt sich darauf hin vom Bauern ein schlachtreifes Tier für 100,-Euro. Das ist zufällig genau der Betrag für dringend benötigtes Saatgut vom Genossenschaftslager. Dessen Betreiber kann sich für die 100,-Euro endlich sein lang ersehntes Bierfass vom Kneipenwirt gönnen, welcher nun die Liebesdienste ohne Zugeständnisse in Anspruch nehmen kann. Und ein im Voraus bezahltes Zimmer ist für eine Geschäftsbeziehung sicherlich auch von Vorteil.
Wenn der Gast jetzt geht, hat er schon ein wenig Wohlstand hinterlassen, kaum auszudenken, was passiert wäre, hätte er sich noch mehr Zeit gelassen.
Der 100,00 €-Schein ist im Grunde übrigens nichts anderes als ein Schuldschein…
Richtig, so lassen sich z.B auch Ernterisiken per Warentermin absichern usw.Aber langfristig geht die Sache doch kaputt.
Warum?
Weil irgendwann Banken dazwischen hängen, die Zinsen fordern. Leider.
Ja, und da aller guten Dinge bekanntlich deren drei sind, hier noch eine dazu passende Geschichte, die ein guter Freund von mir, vor etwa 35 Jahren, auf einer kleinen Südseeinsel erlebt hat.
Ältere Leser werden sich noch erinnern, damals gab es noch diese Schecks der Bank, die man ausstellen konnte, um offene Rechnungen oder andere Leistungen zu bezahlen. Vertraute einem sein Gegenüber, hatte so ein handgeschriebener und unterschriebener Scheck den Wert des eingetragenen Betrags, so wie wenn dieser Scheck Bargeld wäre.
Mein Freund stellte auf jener Insel zahlreiche Schecks einer deutschen Sparkasse aus, bei der er sein Konto hatte, um Unterkunft, Restaurantbesuche und auch Kleiderkäufe zu bezahlen. Insgesamt, nach etwa 3 Wochen Inselaufenthalt, ergaben die vielen ausgestellten Schecks einen Gesamtbetrag von mehreren tausend Euro (nach heutigem Geldwert).
Als mein Freund wieder zu Hause war, staunte er, da kein einziger der ausgestellten Schecks eingereicht und bei seiner Bank von seinem Guthabenstand abgezogen wurde. Auch nach mehreren Monaten war weit und breit kein einziger der Schecks aufgetaucht.
Ein paar Jahre später, als mein Freund erneut auf die erwähnte Südseeinsel reiste, war er bemüht herauszufinden, weshalb keiner der Schecks eingereicht wurde. Sein einheimischer Freund, ein Hotelier lachte und sagte meinem Freund, er solle sich keine Sorgen machen. Wahrscheinlich werden seine Schecks niemals den Weg zur Bank des Ausstellers finden und er könne unbesorgt sein und sein erspartes Geld erneut ausgeben. Mein Freund war jedoch besorgt, weil er ja niemanden schädigen wollte und jetzt hat keiner der damaligen Scheckempfänger Geld für seine Leistungen bekommen.
Der Einheimische lachte wieder und jetzt sogar lauter als zuvor. Er erklärte meinen Freund, wie der Hase mit solchen Schecks auf ihrer Insel läuft und mein Freund hörte mit offenem Mund staunend zu:
„Auf unserer Insel leben alle Menschen in großem Vertrauen. Stellst du einen Scheck aus, zweifelt niemand daran, dass du ein ehrlicher Mensch bist und dass dein Konto gedeckt ist. Um sich den Weg zur Bank und auch um sich die Gebühren bei der Einlösung zu sparen, werden solche Schecks hier einfach an Zahlungsstatt weitergegeben. So weit ich mich erinnere, habe ich mit einem deiner Schecks damals zum Beispiel eine Wäschereirechnung bezahlt. Die Wäscherei bezahlte damit vielleicht die Reparatur einer Waschmaschine, der Mechaniker kaufte mit dem Scheck eventuell Werkzeug usw. usf.
Deine Schecks sind heute wahrscheinlich immer noch, selbst Jahre später, auf unserer Insel unterwegs und sie sind immer noch genau das Geld wert, dem Betrag entsprechend, den du damals auf deinen Scheck geschrieben hast. Möglicherweise hat sogar irgendjemand mit einem deiner ausgestellten Schecks irgendwann einmal bei mir eine Zimmerrechnung bezahlt…“.
Der Einheimische lachte nochmals belustigt ob des vollends eingeschlafenen und immer noch sorgenvollen Gesichts meines Freundes und bemerkte noch „sei unbesorgt, mein Freund alles ist gut!“
Soweit die Erklärung des dortigen, gutgelaunten lokalen Hoteliers, die meinen Freund verwirrt und letztlich sprachlos zurückließ…
.
Es ist wie mit vielem, wenn man einen noch unbekannten Sachverhalt später durchschaut, wird es ganz einfach. Der Metzger war bereit dem Hotelier Fleisch zu liefern, laut gemeinsamer Vorstellung für 100 €. Der Bauer war bereit dem Metzger ein Schwein zu liefern, laut gemeinsamer Vorstellung für 100 €. Das ganze geht so weiter und so weiter. Hier im Kleinen war es glücklicherweise so, dass sich Leute gefunden haben, die eine Ware genau im richtigen Moment liefern konnten. Jeweils für 100 €. Am Ende war es ein großer Tausch, nur haben im ersten Moment die 100 € gefehlt. Warum war jeder bereit seine Ware (Arbeitsleistung) für 100 € herzugeben? Die Antwort darauf ist, dass jeder darauf vertraut hat, für die ausstehenden 100 € später einen Warenwert von ebenfalls 100 € kaufen zu können.
Es sind nicht die 100 € entscheidend, es waren die Waren die jeder anbieten konnte. Waren herstellen oder Arbeitsleistung erbringen, berechtigt dazu, Geld im gleichen Wert aus der Wirtschaft entgegenzunehmen. Damit ist der 100 € Schein aber nur ein universelles Tauschobjekt.
Im Kreislauf der erzeugten Waren und Arbeitsleistungen des Hotelier, Metzger, Bauer, Genossenschaft, Wirt und Prostituierte wäre eine universelle Menge an Tauschobjekten vom 600 € angemessen gewesen. Wenn jeder für seine erzeugte Ware oder Dienstleistung auch im gleichen Wert den 100 € Schein hätte drucken dürfen, wäre kein Tausch (Kredit) notwendig gewesen. Jeder hätte seinen Wunsch direkt mit dem erzeugten Schein erfüllen können und nach Hergabe der jeweils parallel erzeugten Ware wieder 100 € in Händen gehalten. Entscheidend ist, dass nur weiteres Geld entstehen darf, wenn neue Werte und Waren entstehen. Aber davon ist unser jetziges Wirtschaftssystem weit entfernt. Wen es interessiert, kann sich einmal informieren, wie Banken bei der Gewährung von Krediten Geld auf Knopfdruck erzeugen.
na nee,… wenn der Hotelier das Geld (was ihm ja geschuldet würde) behalten hätte, dann wäre alles ausgeglichen.
Da er aber den Geldschein dem Touri gibt, hat letztendlich der Hotelier 199 Euro AUSGEGEBEN… den Letzten in der Kette beißen die Hunde…. !!! 🙂
Ich denke, es ist am einfachsten, den Vorgang zu begreifen, wenn man sich nur einen der Beteiligten genauer anschaut.
Der Hotelier bietet sich hier natürlich an.
1. Er hat eine Kaution, die ich als Deposite verstehe, verwendet.
2. Er hat diese Deposite verwendet, um eine reale Verbindlichkeit zu tilgen.
3. Durch einen kreierten „Zufall“ im Geldkreislauf kommt dieses Geld wieder in gleicher Höhe bei ihm an.
4. Sodass er gerade noch rechtzeitig verschleiern kann, dass er fremdes Geld zweckentfremdet und zu seiner persönlichen Bereicherung verwendet hat.
Also was ist an dieser Geschichte beachtenswert? Dass jemand sich die Mühe gemacht hat, eine Geschichte aufzuschreiben, die eine Kombination aus realitätsfernem Zufall und unrealistisch hoher Risikobereitschaft eines Hotelunternehmers ist. Und dass es Menschen gibt, die glauben, dass damit irgendetwas Ökonomisches erklärt werden könnte.
Beste Grüße
Oliver Jordanov, LL.M.
Der „Denkfehler“ (wenn man es so nennen will), liegt schon darin, dass hier Geld in materieller Form eines Geldscheines zirkuliert. Faktisch ist es aber Geld in Form des Kredites („Pump“), den sich die Beteiligten vorher gegenseitig zugestanden haben. Sie hätten sich auch genauso gut für die Tilgung ohne den Geldschein an einem lauen Sommerabend zusammensetzen und sich gegenseitig die Schulden erlassen können. Der beschriebene Kreislauf ist also nicht der des Geldes allgemein, sondern der des Kredits in Geldform. Das sieht man auch im Beispiel des Kommentars vom 12.08.20 mit quasi umgekehrtem Vorzeichen. Vor allem sieht man aber eigentlich auch, dass Konjunkturaufschwünge durch Hoffnung (warum sollte sonst der Hotelier so viel Fleisch kaufen?) entstehen und nicht durch Geldpolitik (wie uns die neoliberalen Geldtheoretiker von Friedman bis Brunner erklären wollten, kann man Konjunktur dadurch anheizen, indem man Geld zur Verfügung stellt. Es wird aber erst benutzt, wenn Gewinnerwartung besteht – notfalls auch ohne Bargeld, dafür aber mittels „Kredit“).